Eier und Tee

Der Ober brachte die Eier und den Tee und zog sich lautlos zurück. (…)

Die Eier schmecken alt, das tun sie immer, und es wundert mich nicht sehr, seit ich weiß, dass sie nicht von munter scharrenden Hennen, sondern von unseligen, eingesperrten Kreaturen stammen. Diese Eier sind ihre Rache. Ich stehe natürlich ganz auf seiten dieser Roboter. Noch viel ärger müssten die Eier schmecken, um unser schändliches Tun zu strafen. Ich spüle sie mit Tee hinunter, der zwar nicht nach Tee schmeckt, aber wenigstens den Eigeschmack vergessen ließ. Dann wischte ich mir den Mund ab und sah in den Taschenspiegel. (…)

Alles was es in diesem Café zu essen gibt, habe ich schon durchprobiert, genießbar ist nur der Kaffee, er ist sogar vorzüglich. Der Schinken schmeckt nach stark gesalzenem Papier, der gebratene Specke ist ranzig, und Wurst  kommt überhaupt nicht in Betracht. Dann kann man noch Russisches Ei bestellen, aber das tut keiner ein zweites Mal, genießbar daran ist nur das Salatblatt, das eben nach Gras schmeckt. In anderen Cafés ist es nicht besser, nur teurer, und hier sitzt man wenigstens angenehm und ungestört. Hubert behauptet immer, ich sei heikel, aber das stimmt nicht, ich erinnere mich unglückseligerweise nur daran, wie Speisen eigentlich schmecken sollten.

 

Marlen Haushofer: Die Mansarde
Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main, 1986

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert