Wo ich schon einmal in Ulm war, war ein Besuch bei der ehemaligen Hochschule für Gestaltung – der legendären HfG – als Designerin natürlich Pflicht. Heute ist hier u. a. das HfG-Archiv/Museum Ulm untergebracht und dort gibt es eine ständige Ausstellung zur Geschichte der Hochschule. Viele der Produkte, die dort entstanden sind, sind bis heute Design Ikonen, wie zum Beispiel meine absolute Lieblingsküchenuhr, 1957 von Max Bill und Ernst Moeckl für Junghans entworfen oder das Stapelgeschirr TC 100 von Hans (Nick) Roericht.
Aber auf die Idee gekommen, das HfG-Archiv zu besuchen, bin ich, weil ich irgendwo las, dass dort gerade die Ausstellung “al dente – Pasta & Design” gezeigt wird. Ein Thema für den Kunststrudel!
Im Gegensatz zu Brot, bestehen Nudeln aus immer dem gleichen Teig. Mit der Variation mit oder ohne Eier. Die Formen sind mannigfaltig, und wir sind uns doch einig, dass unterschiedliche Nudelsorten unterschiedlich schmecken. Naja, nicht wirklich unterschiedlich schmecken, aber das Mundgefühl und -erlebnis ist ein anderes. Viele bevorzugen zu einem bestimmten Nudelgericht eine bestimmte Nudelform und obwohl Spaghetti Bolognese ein absolutes Traditionsgericht ist, bevozuge ich zu deftigen, “stückigen” Tomatensoßen Penne.
In der Ausstellung wird das ganze Nudel-Universum abgebildet. Ein riesiges Regal mit den unterschiedlichsten Nudelverpackungen aus aller Welt, historische Nudel-Werbeplakate, Gerätschaften zur Herstellung und Verabeitung, zeitgenössisches und historisches Verpackungsdesign.
Bei der Gestaltung von Spaghetti, Bandnudeln, Spätzle oder Ravioli waren bestimmt keine Designer*innen im Spiel. Ihre Formen haben sich aus dem Handwerk entwickelt. Aber es gibt Designer*innen, die sich mit der Gestaltung von Nudeln befassen.
Der japanische Grafikdesigner Kenya Hara rief 1995 zusammen mit dem japanischen Architektur-Institut einen Wettbewerb unter Architekten aus. Es ging dabei nicht um industrielle Machbarkeit, sondern um kreative Formfindung.
Der Food-Podcaster Dan Pashman hat einen Nudel gestaltet, die sich durch “forkability”, “sauceability” und “toothsinkability” auszeichnet.
Barilla verpflichtete mit Walter da Silva und Mario Antonioli zwei Automobildesigner mit der Entwicklung einer neuen Pastaform. Es entstand Papiri, einer gerollten Papyrusrolle nachempfunden.
Ebenfalls ein Automobildesigner ist Giorgetto Giugiaro, der sich für Marille von dem Dichtungsgummi einer Autotür inspirieren ließ.
Philippe Starck hat sich Mitte der 1980er Jahre an einem Pasta Design-Wettbewerb beteiligt. Für den französischen Nudelhersteller Panzani reichte er die Entwürfe Mandala und Quartella ein.
Sehr kniffelig fand ich den Mitmach-Teil, wo man verschiedene Nudelformen den entsprechenden industriellen Spritzformen zuordnen sollte. Da hätte ich mich erstmal einarbeiten müssen, um das lösen zu können. Gezeigt wurden auch klassische Nudelmaschinen für den Privathaushalt.
Und weil Nudeln keine italienische Erfindung sind, ist es ein Genuss, Peter Song und Shuichi Kotani bei der Herstellung von traditionellen chinesischen und japanischen Nudeln zuzuschauen.
Sehr großartig fand ich auch die künstlerischen Positionen. Z. B. das Video von Cynthia Delaney Suwito, das zeigt, wie sie ganz behutsam aus gekochten Instantnudeln etwas strickt. Oder die Intervention von der verwertungs-gesellschaft, die Werke der Weltliteratur als Buchstabensuppe verkaufen, oder die gefährlichen Zitate Prominenter entschärfen. („Mit den Buchstabennudeln nachschreiben, dann die Buchstabennudeln in ein Glas füllen. Durch Schütteln in eine unlesbare und damit unschädliche Form bringen.“)
Auch Ingo Maurer, Erwin Wurm, Maurizio Cattelan haben zur Nudel gearbeitet.
Im Verpackungsdesign geht manches Unternehmen neue Wege. Wie zum Beispiel die Firma Filotea mit Schwarz, das im Bereich Nahrungsmittel ungewöhnlich ist, oder die Good Hair Pasta, die eigentlich wie Haarfärbeprodukte rüberkommt. Ist ganz originell und auch schön gestaltet, aber Haare im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln finde ich dann doch etwas fies.
Nachhaltigkeit steht da natürlich auch auf dem Programm. Einige Hersteller verzichten inzwischen auf Plastik und setzen auf Papp- und Papierverpackungen (immer noch zu wenige, wie ich meine). Überzeugt hat mich hier aber Amelie Graf mit einer Verpackung aus Maisstärke, die sich im Wasser auflöst und mit der Gewürzmischung zu einer sämigen Soße verbindet.
Bevor Plastik und Kunststoffe modern und fortschrittlich wurden, waren die Verpackungen eh und je schon aus Pappe und Papier und ich finde sie wunderschön.
Auch das Produktdesign bringt etliche Objekte zum Nudelkonsum hervor. Teller, Siebe, Esswerkzeuge, und andere mehr oder weniger sinnvolle Gerätschaften.
Alles in allem ist das eine sehr unterhaltsame und informative Ausstellung, die noch bis zum 19.1.2025 im HfG-Archiv/Museum Ulm zu sehen ist.
Liebe Ute,
vielen herzlichen Dank für diesen wunderbaren online-Ausstellungsbesuch. Sehr informativ und unterhaltsam! Die industriellen Nudelformen erfordern einiges Vorstellungsvermögen, sie mit dem Produkt zu verbinden. Der Film ist der Hammer. Das Nudelteigzirkusnummer ist beeinduckend. Guten Apettit!
Danke für deinen schönen Kommentar! 🙂
… Die Nudelteigzirkusnummer …