Ich weiß nicht mehr, wann ich vom Museum für Brot und Kunst erfuhr, aber ich folge schon eine ganze Weile auf Instagram. Ulm ist von Köln nicht gerade um die Ecke, aber vor ein paar Wochen habe ich den Entschluss gefasst, dort endlich mal hinzufahren. Auslöser war die Sonderausstellung “mindestens haltbar bis” von Honey & Bunny (Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter). Die Arbeit der beiden verfolge ich auch schon einige Jahre – hier und hier – und ich wollte die nun endlich mal auch in der Real sehen und nutze das letzte Wochenende, an dem die Ausstellung zu sehen war.
(Keine Bilder aus der Ausstellung wegen der Unsichtbarkeitsmaschine aka VG Bild Kunst)
Im Foyer des Museums stand ein langer gedeckter Tisch, mit einem integrierten Gemüsebeet, an dem man sich theoretisch direkt bedienen kann. Frischer und regionaler geht’s nicht! Ein Supermarktregal mit von honey & bunny gestalteten Produkten, die man auch kaufen und gleich mitnehmen konnte, diverse Videos und handgeschriebene Texte (die ein bisschen anstrengend zu lesen waren) an den Wänden.
Zum einen sind die Arbeiten sehr witzig, wenn sie sich zum Beispiel mit Ess- und Tischkultur auseinandersetzen, den Räumlichkeiten und Gerätschaften, mit denen gegessen wird – oder eben auch nicht. Die Fotos und Videos sind immer großartig gestaltet und inszeniert. Zum anderen haben sie einen kritischen Ansatz, der sich mit der ethischen, politischen und ökologischen Aspekten der Nahrungsmittelproduktion beschäftigt, und das regt immer zum Nachdenken an. Auch wenn jede*r von uns in ganz persönlichen Befindlichkeiten steckt.
Es gab auch eine partizipative Aktion. Papiertüten, bedruckt mit Fotos und Fragen lagen in Ulmer Geschäften aus. Wer eine solche Tüte, beschriftet mit seiner Antwort ins Museum brachte, hatte freien Eintritt.
Die Installation im Obergeschoss gefiel mir am besten: Auf dem Boden war ein Beet angelegt, das wie ein Tisch mit unterschiedlichsten Gedecken eingedeckt war. Nicht nur unterschiedlich in Form und Farbe, sondern auch aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Darüber schwebte ein ebenso großer Monitor – wie eine Tischplatte. Das Video zeigt ein im Zeitraffer abgefilmtes Beet, in dem Gemüse gepflanzt war und das nun sehr schnell wuchs. Auch dieses Beet war eingedeckt und auf den Tellern waren Videos von honey & bunny zu sehen. Eine vielschichtige Arbeit über Esskultur, was uns verbindet, Nahrungsmittelproduktion, Regionalität und Globalisierung.
Das Museum
Das Museum Brot und Kunst – Forum Welternährung wurde 1955 durch die Ulmer Unternehmer Dr. h. c. Willy Eiselen (1896-1981) und seinem Sohn Dr. Dr. h. c. Hermann Eiselen (1926-2009) als erstes Museum zum Thema Brot weltweit gegründet. Inzwischen wird es von der gemeinnützigen Vater und Sohn Eiselen-Stiftung getragen.
“Die Sammlung umfasst Objekte aus kultur,- sozial- und technikgeschichtlichen Zusammenhängen und aus mehreren Jahrhunderten. Ein besonderes Augenmerk galt und gilt der Kunst. Sie erlaubt es, das große Thema Brot und Nahrung aus überraschenden Perspektiven zu betrachten.”
Das Haus ist so viel mehr als nur ein Brotmuseum und ich liebe den Claim “Don’t call me Brotmuseum”
Die Dauerausstellung
Die ist wirklich fabelhaft. Hier wird das Thema Brot vom Korn bis zur Verspeisung mit allen Facetten abgebildet und immer mit Kunst zusammengebracht.
In einem kleinen Bereich werden traditionelle Werkzeuge zur Kornverarbeitung und Brotherstellung gezeigt, man kann selber ein Korn pflanzen, das spätere Besucher*innen dann als Pflanze bewundern können und man kann mal ganz altmodisch das mahlen ausprobieren.
Spannend fand ich auch die Geschichte zum Mutterkorn. Ein kleiner garstiger Pilz namens Claviceps purpurea, der die Menschen quält, seitdem sie Getreide kultivieren. Er löst u. a. Darmkrämpfe und Halluzinationen aus, kann zum Absterben von Fingern und Zehen führen und kann tödlich sein. Allerdings wurde er auch zu medizinischen Zwecken genutzt, zum Beispiel für Schwangerschaftsabbrüchen. (Besser nicht nachahmen). Aus dem Pilz kann Lysergsäure gewonnen werden, aus dem LSD hergestellt wird. Und was soll man sagen, schon vor 2000 Jahren wurden aus dem Pilz berauschende Getränke gebraut.
In der Malerei ist das Thema mannigfaltig: Die Arbeit der Bauern, die Eingriffe in die Natur und Landschaft, die Verarbeitung und Produktion, sowie die Verspeisung. Natürlich ist Brot auch symbolisch aufgeladen, zum einen religiös aber es steht auch für Ernährung an sich und auch Hunger.
Der Vergleich von Brot mit Stühlen, da habe ich im ersten Moment gestutzt, aber dann fand ich das eine ganz großartige Idee. So wird zum Beispiel der Freischwinger von Marcel Breuer mit einem Kastenbrot verglichen. Der Stuhl ist geformt aus einem Stück Stahlrohr mit Lehne und Sitzfläche aus jeweils einem Stück Leder. Kein Gramm Material zu viel, modern und es sollte ein Stuhl für alle sein. Wie das Kastenbrot, in der Form schlicht und funktional und es enthält alles an Geschmack und Nährstoffen, was ein Brot braucht.
Oder der Stuhl Nr. 14 von Thonet. Der wurde auf der Pariser Weltausstellung 1867 präsentiert und war durch das neuartige Verfahren des Biegens von Holz eine Sensation. Die Kaisersemmel wurde ebenfalls auf der Weltausstellung berühmt. Hier waren die Verwendung von kleberreichen Mehlen und einer neuen Presshefe neu und innovativ. Es gab noch den Vergleich von der Vielfalt der Stühlen von Arne Jacobsens mit der Vielfalt der Brotsorten und den Vergleich von Richard Riemerschmids Sitzecke mit einem Roggen-Bauernbrot. Sehr amüsant.
Ganz fabelhaft fand ich das Video “Hungrig vor und nach der Zukunft“ von Ralo Mayer. Er hat kleine Sequenzen aus vielen Science Fiction Filmen, in denen es um Essen und Trinken geht, kunstvoll zusammengeschnitten. Die Filme sind zum Teil einige Jahrzehnte alt und er geht damit der Frage nach, wie sich Menschen, bzw. Filmemacher, Ernährung in der Zukunft vorstellen.
Und die experimentelle Zukunft des Brots? 2017 wurde im Auftrag der NASA der Mini-Weizen und ein Mini Gewächshaus entwickelt und soll die Idee eines Gewächs-Hochhauses zu verdeutlichen. Hier kann mit minimalem Ressourceneinsatz Reis oder Getreide angebaut werden und eine Ernte ist ganzjährig möglich.
Es gab noch so viele andere Aspekte zum Thema Brot und Ernährung, mit wunderbaren Exponaten und Kunstwerken. Ich würde am liebsten jede Sonderausstellung sehen. Das Museum ist eine absolute Empfehlung.
Wie toll. Das mit den Stühlen ist ja großartig und überhaupt, was man da alles lernen kann. Dafür hat sich die Fahrt nach Ulm aber richtig gelohnt. Danke fürs Verbloggen