Nun mache ich hier ausnahmsweise das, was hier normalerweise nicht stattfindet: Über Restaurants und Restaurantessen schreiben. Aber natürlich streifen wir das Thema Esskultur.
Anfang Mai war ich mit den beiden anderen Herbergsmütter Anke von Heyl und Wibke Ladwig auf Einladung von Belgien Tourismus Wallonie wieder auf #KultourWallonie. Genuss spielt hier natürlich auch immer eine Rolle.
Über das formidable Frühstück in meinem B&B in Chimay hatte ich schon hier geschrieben.
Ich hatte für alle drei Abende, die ich in Chimay war, eine Reservierung in jeweils drei verschiedenen Restaurants.
Am ersten Abend war ich in der Brasserie du Casino Chimay. Es ist ein bisschen unglaublich, dass dieses kleine Städtchen mal ein Casino hatte! Die Brasserie ist recht groß, rustikal eingerichtet und hat was von einem Pub. An diesem Mittwochabend war es proppenvoll. Paare, Familien, kleinere Gruppen – absolut bunt gemischtes Publikum. Das Personal war sensationell herzlich, Englisch sprach hier allerdings niemand.
Am Nebentisch saß eine Frau mit ihren Enkeln, sie hat mir bei meiner Bestellung etwas geholfen. Als Vorspeise hatte ich eine ganz ausgezeichnete Pastete. Der Hauptgang war für mich ein kulinarisches Desaster – was an mir lag – und dafür muss ich etwas ausholen.
Die Reservierungen, die der Tourismusverband für uns macht, sind fast immer in guten bis sehr guten Restaurants. Da ist die Karte dann oft international – wenn auch mit regionalen Zutaten. Ich hatte im Vorfeld ein bisschen gequengelt, weil ich doch so gerne regionale Spezialitäten und gerne auch “futtern wie bei Muttern” würde. Eigentlich eine Punktlandung in der Brasserie. Auf der Karte stand also Escavèche de Chimay. Ich hatte keine Vorstellung, was das sein könnte, Deepl hat mir nicht weitergeholfen, die Frau am Nebentisch versuchte zu erklären und sie pries es als sehr lecker an. Ich verstand allerdings nur Fisch, Zwiebeln, Fritten und habe mir irgendwas Gebratenes vorgestellt, worauf ich richtig Appetit hatte.
Und dann kam das:
Ursprünglich wurde diese Spezialität mit Aal gemacht, ich kenne Aal nur geräuchert und konnte das nicht identifizieren. Inzwischen wird es auch häufig mit Hecht, Forelle oder anderen Flussfischen zubereitet. Der Fisch ist mit einer sehr sauren Essig-Zwiebelmariande ummantelt und das ganze ist kalt!
Der Ursprung des Rezepts geht auf das 16. und 17. Jahrhundert zurück, als Belgien noch unter spanischer Herrschaft stand. Die Besatzer hatten dieses Verfahren zur Konservierung von Fisch in Chimay eingeführt, um ihre in allen Provinzen des Landes stationierten Truppen zu verpflegen. Das Rezept hat sich im Laufe der Jahrhunderte nicht verändert und wird über Generationen weitergegeben. Inzwischen ist es sogar durch einen Eintrag ins Amtsblatt der Europäischen Union geschützt.
Ich habe gar nichts gegen kalten oder sauren Fisch – hallo Rollmops, hallo Heringsstipp – aber wenn man was warmes Gebratenes erwartet und dann was Kaltes und Saures kommt, meine – Geschmacksnerven waren da ein bisschen unflexibel. Aber die Fritten waren gut.
Bei meinem Besuch im Aquascope Virelles, hatte ich ja einen netten Schwatz mit dem Direktor. Dieser hatte mir ein Lokal in Lompret empfohlen, wo es das beste Escavèche de Chimay geben sollte. Ich hatte ihm dann von meinem gastronomischen Erlebnis vom Vorabend erzählt, er hat es vermutlich nicht wirklich verstanden. Ich fuhr dennoch nach Lompret, ein kleines Dorf, das ganz idyllisch am L’Eau Blanche liegt. Es war ja erst Nachmittag und ich bestelle im gleichnamigen Lokal Kaffee und Kuchen. Hier habe ich auch gelernt, dass man in der Gegend unbedingt italienischen Cappuccino bestellen muss, wenn man Sprühsahne vermeiden will. Kuchen mit Eis war prima.
Abends aß ich in La Malterie. Wie mir später meine B&B Gastmutter bestätigte, ist das der beste Platz am Ort. Hier werden überwiegend regionale Produkte verwendet und auch im kleinen angeschlossenen Laden verkauft. Der Gastraum der ehemaligen Brauerei und Mälzerei Degauquierist mit den alten Backsteinwänden ist sehr schön, die Tische waren geschmackvoll rustikal eingedeckt, nur die Wanddeko passte überhaupt nicht. Das Häkeldeckchen im Brotkorb fand ich ganz entzückend.
Der Gruß aus der Küche waren zwei köstliche Variationen mit Fisch. Als Hauptgang aß ich ein Entrcôte mit Kartoffeln und Morcheln und statt Dessert nahm ich Käse, der aus der Trappistenabtei Scourmont kommt. Die herzliche Bedienung, das schöne Ambiente und das ausgezeichnete Essen machten den Abend sehr rund.
Espace Chimay und die Trappistenabtei Notre-Dame de Scourmont standen am nächsten Tag auf dem Programm. Da ich schon Vormittags und mit dem Auto da war, stand eine Bierverköstigung nicht zur Debatte. Aber Käse geht ja immer. Weil ich aber auch immer noch ein üppiges Frühstück im Magen hatte, nahm ich bei der Käseverkostung die kleine Variante. Zum Bier komme ich später.
Nachmittags gab es im Grand Café in Chimay endlich mal eine belgische Waffel mit korrektem Cappuccino.
Am letzten Abend in Chimay war ich bei La Charlotte. Das Ambiente war kühl und ich habe nicht gut gesessen. Irgendwas stimmte mit dem Stuhl und dem Tisch nicht. Der Gruß aus der Küche – ein Spargelcappuccino, natürlich mit Sprühsahne – war noch das Beste. Es hat sehr intensiv nach Spargel geschmeckt. Die zwei Kapernäpfel waren gut, passten geschmacklich aber nicht wirklich dazu. Die Vorspeise, Kroketten aus Nordseegarnelen schmecken nach Kroketten aber nicht nach Nordseegarnelen. Der Hauptgang, Rindfleisch aus der Region, kam blutig statt medium und war leider sehr sehnig und zäh. Die Fritten waren schlabbrig. Schade, Ambitionen und Anspruch sind hier größer als die Qualität. Dafür standen im Eingang ein paar schöne Vintage-Sessel und die Bedienung war auch hier ausgesprochen freundlich.
Bier
Im Bierland Belgien gibt es ja gefühlt in jedem Haufendorf eine Brauerei. Käme die Craft Beer Bewegung nicht aus den USA, die Belgier hätten es erfinden müssen. Ich bin zugegebenermaßen nicht so der Fan von belgischen Bieren. Sie sind mir meist zu sauer, zu fruchtig oder zu mächtig. Aber seitdem ich letztes Jahr in Orval war, habe ich entdeckt, dass ich die Trappistenbiere mag.
Ein paar der Chimay Biere habe ich an mehreren Tagen und Orten probiert. Leider nicht alle. Am ersten Tag in der Brasserie hatte ich ein Chimay blanche bestellt. Ich finde das leider nicht auf der Chimay Seite und bin mir nicht sicher, welches es war. Vielleicht das grüne/150, was 2012 zum 150. Bestehen der Brauerei erstmals gebraut wurde. Es hatte was von Weißbier, was ich auch nicht so gerne mag.
Am zweiten Tag hatte ich mir – für mich ungewöhnlich – am späten Nachmittag ein Chimay bleu im Grand Café auf dem Marktplatz von Chimay bestellt. Holla die Waldfee, da habe ich mit 9% das stärkste erwischt. 1954 wurde es erstmals als Weihnachtsbier verkauft. Es war gut, aber hat auch fast wie Schnaps geschmeckt und das war für die Tageszeit zu früh. Eine Punktlandung hatte ich dann doch im Restaurant La Charlotte, wo ich ein Chimay rouge hatte, was sehr gut zum Rindfleisch passte. Es ist das älteste Bier der Abtei und wird seit 1862 gebraut. Mein Favorit!
Mons
In Mons war ich ein bisschen beschädigt, davon ein anderes Mal, an anderer Stelle.
Als wir Herbergsmütter endlich zusammen kamen, gab es erstmal Kaltgetränke auf dem Grand Place. Es war eine große Freude, abends im Restaurant zusammen zu essen. Wir waren in dem sehr originellen Lokal La Vache à Carreaux wo alles mit Käse zubereitet oder überbacken ist. Ich liebe Käse, ich liebe überbackenes, aber vielleicht war das dann doch zu viel und verantwortlich für meine ungünstige Verdauungssituaton am nächsten Tag.
An dem Mittag hatte irgendwas mit unserer Reservierung nicht geklappt und wir haben uns selber ein Restaurant ausgesucht. Wir landeten dann in Marokko. Da ich meinem Magen nichts Schweres zumuten wollte, entschied ich mich für eine Gemüse-Tajine. Die war tatsächlich wie Schonkost zubereitet. Auch die anderen beiden, die sich für herzhaftere, orientalische Varianten entschieden hatten, meinten, es sei sehr lasch.
Merke: Wenn du in der Wallonie bist, bleibe in der Wallonie.
Transparenz: Reisekosten, Übernachtungen und die Abendessen wuren vom Tourismusverband Belgien Tourismus Wallonie übernommen.
ich habe mich ja mal fürchterlich an belgischen Waffeln übergessen. seitdem kann ich die nicht mehr sehen. Aber das ist wirklich geheimnisvoll in Belgien. Du kannst im kulinarischen Himmel landen. und zwar in den unschwinbarstwn Orten. Oder wirklich entsetzlich reinfallen. Gewusst wo, ist hier das Motto.
Das hast du hier sehr eindrücklich beschrieben
Oh, schade das mit dem überessen mit den belgischen Waffeln. Aber das kenne ich, dann geht das einfach nicht mehr.
Ui ui ui, Frau Vogel, was für ein Programm! Neben den ganzen Besichtigungen und Bierproben warst Du auch noch fast unentwegt Restauranttesterin. Wir verstehen nun, die Wallonie ist nichts für schwache Nerven. Immerhin, der wunderbar gedeckte Frühstückstisch macht alles wett.
Herzliche Grüße
Stefan
Hihi, ich lasse mich ja gerne auf (kulinarische) Abenteuer ein. Ist halt immer mit ein bissi Risiko. Aber man lernt und erfährt auch einiges. Auch über sich selbst. 😉